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Ulrich Tillmann und die Gallery without a Gallerist in Köln

Am 26. Februar 2019 starb der Kölner Foto- und Konzeptkünstler Ulrich Tillmann mit nur 67 Jahren. Wenige Monate vor seinem Tod übergab er dem ZADIK ein kleines Konvolut an Dokumenten, Fotos und Plakaten aus den 1980er Jahren, als er der Gründer und Motor der damals legendären Gallery without a Gallerist war.

Ulrich Tillmann war eine ungewöhnlich vielseitige Persönlichkeit, mit unerschöpflicher Phantasie begabt und feinem hintergründigen Humor. Er absolvierte ein Studium der Fotografie an der Fachhochschule Köln, das er 1976 als Diplomingenieur abschloss. Zudem studierte er Kunstgeschichte sowie Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften an der Universität Köln. Von 1977 bis 1987 erfüllte er Lehraufträge für Fotografie und Film an der Fachhochschule Köln und an der Universität zu Köln, der Gesamthochschule Wuppertal und der Fachhochschule Düsseldorf. Schon 1974 aber hatte er entschieden, auch als Künstler durchs Leben zu gehen. Sein Geniestreich war 1981 die Erfindung seines Alter Ego: Die nach bester Fluxusmanier konstruierte Kunstfigur eines Universalkünstlers und Kunstprofessors namens Klaus Peter Schnütger-Webs, der zugleich Maler, Bildhauer, Designer, Architekt, Schriftsteller, Dichter, Filmemacher, Fotograf, Praktiker und Theoretiker war, und der sich lebenslang untrennbar mit Tillmanns persönlicher Biografie verwoben hat.

Während seiner Zeit mit der Gallery without a Gallerist – und auch danach – agierte Ulrich Tillmann als Performer und Schauspieler, fotografierte und filmte, publizierte eigene Fotobücher, war Porträtfotograf und stellte seine Fotoarbeiten in Galerien und Museen aus. Seit 1986 arbeitete er außerdem im bürgerlichen Brotberuf über drei Jahrzehnte als Museumsmann. Als Kurator des Agfa Foto-Historama im Museum Ludwig, angeworben von dessen Leiter Bodo von Dewitz, gestaltete Tillmann gemeinsam mit dem Kollegen wesentliche Ausstellungen und Publikationen zur Geschichte der Fotografie; auch für das Museum Ludwig konnte er seine künstlerischen Fähigkeiten als Ausstellungsdesigner einsetzen. Vom Jahr 2000 bis zu seinem Ruhestand 2016 wirkte Tillmann im Museum Ludwig in neuer Verantwortung als wissenschaftlicher Dokumentar für Malerei und Skulptur und führte die Dokumentation des Museums ins Zeitalter der Digitalisierung.

 

Gallery without a Gallerist

1978 eröffnete die Gallery without a Gallerist. Damals herrschte in Köln ein enthusiastisch-innovativer Geist, der Köln als Kunststadt über seine Grenzen hinaus internationale Bedeutung verlieh. Galerien und Künstler ließen sich hier nieder, die Stadt war offen für eine kreative freie Szene. In diesem Dunstkreis entwickelte eine Gruppe Kölner Foto- und Videokünstler*innen um Ulrich Tillmann die Idee, etwas Eigenes zu machen, neue Projekte auszuführen in einer Galerie ohne Galeristen. Der paradox klingende Name Gallery without a Gallerist war auch eine kritische Anspielung auf das rein am Kommerz orientierte Geschäftsmodell der etablierten Galerien.

Zum Gründungskollektiv der Gallery without a Gallerist gehörten neben Tillmann dessen engste Weggefährtinnen und Vertraute, die Kölner Video-und Fotokünstlerinnen Bettina Gruber und Maria Vedder. Später schlossen sich weitere Mitstreiter an, 1982 der mit Tillmann verbundene Kölner Künstler und Fotograf Wolfgang Vollmer, zeitweise gehörten auch die Fotografen Peer Butterkeit, Lothar Schlichte und Thomas Wiegand dazu. In der Gallery without a Gallerist sollte niemand durch Vermittlung von Kunst Geld verdienen. Alle Belange der Galerie wollte man im Kollektiv erarbeiten, von der Auswahl der Künstler*innen bis zu den Ausstellungsprogrammen – allerdings funktionierte das Kollektiv nicht in allem perfekt, denn an Tillmann blieben die Bürokratie und Organisation des Betriebs hängen, da er als namentlicher Unterzeichner sämtlicher Bürokratie nach außen offiziell Geschäftsführer der Galerie war.

Die Lokation der Gallery without a Gallerist war ein kleines unscheinbares, im halben Souterrain gelegenes Ladenlokal mit nur geringer Miete in der Hochstadenstraße 27, inmitten des sich damals zum „Quartier Lateng“ entwickelnden Studentenviertels. Die mutigen Ziele der Galerie definierte Ulrich Tillmann in der ersten Ausstellungsvorschau vom September 1978 so einfach wie präzise: „Die Gallery without a Gallerist ist ein freier Ausstellungsraum, der jungen Künstlern, die mit Fotografie, Film und Video arbeiten, zur Verfügung stehen soll. Die Initiative geht von Künstlern selbst aus, die unabhängig vom konventionellen Kunstmarkt ihre Arbeiten zeigen und verkaufen wollen. Die Arbeit mit diesem Ausstellungsraum ist ein Versuch, unter Berücksichtigung von bestimmten Konsumgewohnheiten die Beziehung zwischen dem Kunstschaffenden auf der einen Seite und dem Kunstbetrachter und Kunstkäufer auf der anderen Seite direkter und einfacher zu gestalten. Die Gallery without a Gallerist soll Künstler, vor allen Dingen diejenigen, die noch am Anfang ihrer Arbeiten stehen, anregen, sich über die Arbeit in ihrem Medium hinaus mit kommerziellen Gesichtspunkten und Kunstmarktpraktiken auseinanderzusetzen“.

Mit ihrem unabhängigen, antikommerziellen Konzept befand sich die Gallery without a Gallerist bereits im Fahrwasser einer Entwicklung, in der seit Ende der 1980er Jahre, nicht nur in Köln, private nonkonformistische Kunsträume bzw. -werkstätten und 'Produzentengalerien' gegründet wurden, die die gewohnten institutionellen Ausstellungsorte und -formen aufbrachen und das Kunstsystem kritisierten, wie es beispielsweise um 1990 die alternativen Kunsträume im Kölner Friesenviertel vorführten. Zur Gründungszeit der Gallery without a Gallerist war speziell junge kreative experimentelle Fotokunst nur spärlich auf dem Kunstmarkt vertreten; auf der documenta 6, 1977, hatten Evelyn Weiss und Klaus Honnef die avancierte Fotografie erstmals als eigenständiges künstlerisches Ausdrucksmittel in den Kanon der Kunst gestellt. Die Gallery without a Gallerist richtete ihren Fokus nicht nur auf „kreative Fotografie“, sondern sehr weitgefasst ebenso auf Arbeiten, aus den Randbereichen der Medienkunst, wie sie in der Tradition von Fluxus, Happening, Performance und Installationskunst der 1960er Jahre stehen.

Die strikt antikommerzielle Strategie der Gallery without a Gallerist verlangte, dass die ausstellenden Künstler*innen selbst alle anstehenden Kosten und das Risiko trugen. Einzige Einnahmequelle waren die regelmäßig zu den Ausstellungen herausgegebenen, individuell gestalteten Künstler-Editionen, die in kleinen Auflagen, zum Preis von 35,- DM – bzw. 5 Mappen zum verbilligten Preis von 150,- DM für Abonnenten – verkauft wurden. Über die Jahre ist so ein eindrucksvolles Konvolut handgefertigter kleiner Unikate entstanden mit Fotos in Umschlägen, als Leporello, in Couverts, gebunden oder schlicht in Folien eingeschweißt. Sie überraschen immer noch durch ihre frische unkonventionelle Sprache. Trotz des Verkaufs der Editionen gehörte der Kampf um die Existenz zum Tagesgeschäft. Einer der regelmäßigen Unterstützer war Horst Hahn, der mit seiner Frau Barbara in den 70er Jahren, angeregt durch L. Fritz Gruber, begonnen hatte eine Sammlung zu Pionieren der Fotokunst und avancierter Fotografie aufzubauen. Durch den Erwerb der Editionen und Ankäufe half er der Galerie ein wenig beim Überleben (2010 präsentierte die Kunst-und Museumsbibliothek im Museum Ludwig in einer Ausstellung eine Auswahl der Unikatbücher aus der Sammlung B. und H. Hahn). Finanziell sicherten auch die für einzelne Projekte bewilligten Finanzierungshilfen des Kulturamtes der Stadt Köln das Fortbestehen des Betriebs.

Die Gallery without a Gallerist machte eine vorbildliche Öffentlichkeitsarbeit. Das Team war bemüht, durch originelle, ausgefallene Titel und Texte – auch von den Künstler*innen – auf sich neugierig zu machen. Neben den Protagonisten der Gallery without a Gallerist, Tillmann, Gruber und Vedder stellten vor allem Künstler*innen aus Köln ihre fotokünstlerischen Positionen zur Diskussion: Michael Ayala, Krimhild Becker, Hella Berent, Wolfgang Burat, Brigitte Burgmer, Harald Falkenhagen, Klemens Golf, W. Junge, Herbert Kather, Bernd Oltmanns, Fee Podgurski, Joachim Richter, Monika Rapp, Edmund Tucholsky, Wolfgang Woessner.

 

Ausstellungen und Projekte

Rund 50 Ausstellungen engagierter Foto- und Videokunst bzw. Installationen veranstaltete die Gallery without a Gallerist während ihrer knapp siebenjährigen Aktivität. Die Eröffnungsausstellung im kleinen Ladenlokal im September 1978 gestaltete der Fotograf Joachim Richter mit Raum + Zeit – Fotografien u.a. mit einer architekturbezogenen Installation, die nur von außen durch das Schaufenster zu betrachten war. Es folgte Ulrich Tillmann mit der Schau: Ulrich Tillmann zeigt die Fotografien der Udena von Tego. Sie gibt Einblicke in den tiefgründigen Kosmos des Ulrich Tillmann. Als Autor schlüpfte er in die Rolle der fiktiven Künstlerfigur namens Udena von Tego, die er, wie in der Ausstellungsinformation ausführlich beschrieben, im Sommer 1977 in Venedig getroffen hat, und die ihm einen Ordner ihrer Negative und Kontakte überließ. Danach entschwand sie ihm, und Tillmann inszenierte ihre/seine Werke in der Galerie. Die kleine, als Postkarten Souvenir-Mappe gestaltete Edition zur Ausstellung ist handbeschriftet „Quanto s’assomigliano gl’immagini. Vado via! Bilder von Udena von Tego“ und enthält sieben schwarz-weiß-Fotoabzüge mit verstörenden Motiven von Bella Italia und z. T. rätselhaft verfremdeten Figuren (erkennbar sind Gruber und Tillmann), die eine abgründige Stimmung von Melancholie und unerfüllter Sexualität verbreiten.

Im Oktober 1978 trat das Künstlerinnenpaar Bettina Gruber und Maria Vedder mit einer gemeinsamen Rauminstallation mit Video, Fotografie, Neon und Federn auf, auf die weitere ihrer poetisch humorvollen Videoarbeiten folgten. Ulrich Tillmann präsentierte im Mai 1979 eine Installation mit dem Titel: Bisher nicht bekannte Affären und Liebesdramen, aufgezeichnet von Ulrich Tillmann. Fotografie, Collage, Text. Die Betrachter wurden mit einer gänzlich unkonventionellen Hängung konfrontiert „in schmalen Rähmchen fast unzählig in der Galerie aneinandergereiht“, kombiniert mit den unerwartet subversiven rätselhaften Inhalten der Bilder, dunklen emotionslosen sw-Fotos, die der Künstler mit hintergründig sach(dien)lichen handschriftlichen Texten versehen hat.

Beispielhaft für die Arbeit der Gallery in den Jahren 1979 und 1980 sind die medienübergreifenden, raumbezogenen und erzählerischen Ausstellungen wie Und da steht man sich auf einmal selbst gegenüber – Eine Fahrt in Ägypten auf der Suche nach der Nilexotik im Februar 1979 – Licht-Bilder (Fotografien + Texte) von Hella Berent + Wolfgang Woessner. Dann folgten Photographien von Bernd Oltmanns – Beobachtungen mit Menschen – an Stadtlandschaften, oder Wie man wird, was man ist – Analytische bis anekdotische Fotoarbeiten seit 1977 von Winfried Junge. Zu nennen ist hier auch die Multimediakünstlerin Brigitte Burgmer, die im Juni 1979 in ihrer medienübergreifenden Rauminstallation Fotobilder gemalte und wirkliche, fotografierte Personen, Video und Wort miteinander kommunizieren ließ.

Im September 1980 verblüffte die Gallery without a Gallerist mit dem innovativen, außergewöhnlichen Projekt der „Fotozeitung“. Ulrich Tillmann dazu: „Wir machen eine eigene FOTOZEITUNG, alle Gesetze (fast alle) des Marktes mißachtend, aber es geht, es kann sogar gut gehen. Und das Schönste bei derartigen Wahnsinnsprojekten, wie Gallery without a Gallerist, Buch, Ausstellungen oder Zeitung, ist, daß man bei der Arbeit die Ehrfurcht verliert vor den Großen, den Wert des Störfaktors im funktionierenden System erkennt. [...]“. Herausgegeben von Tillmann und Jörg E. Jakobs, mitinitiiert und gestaltet von Bettina Gruber, die auf dem Titel als Hingucker einen verschmitzt lachenden bacchantischen Halbakt mimt. Im Großformat DIN A3, ungebunden, auf 32 Seiten mit kleinformatigen bis ganzseitigen sw-Abbildungen in unkonventionellem Layout, ist die werbefreie Zeitung in einer einmaligen Auflage von 10.000 Exemplaren zum Stückpreis von 5,- DM erschienen. Die Publikation wurde ermöglicht durch eine Finanzspritze von 10.000 DM aus dem Kulturamt der Stadt Köln. Die Fotozeitung erschien strategisch geschickt zur Eröffnung der vielbesuchten Kölner Photokina-Bilderschauen in der Kölner Kunsthalle, weil dort der Verkauf ganz ohne Vertriebsapparat allein durch die Anwesenheit einer hohen Zielgruppe garantiert war. Die Zeitung verstand sich mit subjektiv geprägten Essays und Reflexionen der avancierten Fotografie als Alternative zu der „glatten Colorhochglanzblätterwelt“ der kommerziellen Fotozeitschriften. Zu lesen gab es eine Hommage an zwei bedeutende deutsche Fotoreporter aus den zwanziger Jahren, Tim N. Gidal (1909-1996) und Umbo (Otto Umbehr, 1902-1980), zudem ein aufschlussreiches Interview mit L. Fritz Gruber anlässlich seines Abschieds von der Photokina, wie auch eine berührende Eloge von Georg Stefan Troller an seinen alten Freund „Mister Photokina“. Neben einer sozialkritischen Fotodokumentation der Kölner Gruppe Arbeiterfotografie mit einem – bis heute aktuellen – Abgesang auf die Zerstörung des Kölner Grüngürtels, gab die “Fotozeitung“ gleichermaßen den fotokünstlerischen Experimenten der Künstler*innen der Gallery ihren angemessenen Raum: Brigitte Burgmer, Hella Berent, Heiner Blum, Wolfgang Woessner oder Thomas Müller, Fee Podgurski reflektierte über die fotografierten Mattscheiben von Maria Vedder und Günter Schulte über die Ästhetik der Fotografie. Ulrich Tillmann wartete in einer Foto-Collage-Sequenz mit einer weiteren rätselhaft-poetischen Liebesgeschichte aus Venedig auf. Im Januar 1981 fand in der Gallery without a Gallerist die Ausstellung zur Publikation Originale aus der Fotozeitung, die wieder viel Beachtung in der Presse fand.

 

Werkstatt und Aktionstage

Im Sommer 1981 konnte die Gallery without a Gallerist ihren Aktionsraum mit der Anmietung des ungenutzten Hinterhofs der Galerie erweitern, wo eine „Werkstatt für experimentelle Arbeitssituationen“ installiert wurde. Freie Werkstatträume für unkonventionelle Kunstformen entstanden damals an vielen Orten in Köln, wie z. B. die 1981 von Elisabeth Jappe gegründete Molktereiwerkstatt in der Molktestraße. Tillmann und seine Crew veranstalteten in ihrem schummrig-schönen Hof Hochstadenstraße 27 Aktionstage mit Fotos, Dia- und Toninstallationen, Film- und Videovorführungen und Performances, ermöglicht mit finanzieller Unterstützung der Stadt Köln. Ein kleiner selbstproduzierter Katalog spiegelte die kreative Vielfalt der beteiligten Foto-Künstler*innen. Maria Vedder beispielsweise inszenierte dort eine Aktion mit dem Erwartung weckenden Titel: Es gibt Eskimos, die jenseits der Baumgrenze leben.

 

Meisterwerke der Fotokunst – Sammlung Tillmann und Vollmer

Museumsrang erreichte das subversive Projekt Meisterwerke der Fotokunst – Sammlung Tillmann und Vollmer, das Ulrich Tillmann zusammen mit Wolfgang Vollmer 1984 realisierte und das als letzte programmatische Ausstellung die Arbeit der Gallery without a Gallerist in der Hochstadenstraße abschloss. „Wenn es noch Leute in der Fotoszene gibt, die scharfe Ironie und intelligenten Witz schätzen, so werden sie von dieser Ausstellung begeistert sein“ verkündete Tillmann vorweg. Die beiden Sammler nahmen hier explizit Bezug auf die Geschichte der Kunst. Sie verblüfften mit einer beeindruckenden Kollektion von 30 fotografischen Bildern: Es waren lauter hochgradig intelligent konzipierte Nachschöpfungen prominenter Fotografien, von der Vor-und Frühgeschichte des Mediums über Joseph Niépce, August Sander, André Kertész, Man Ray bis hin zu Pablo Picasso, Andy Warhol oder Helmut Newton. Die hohe künstlerische und fototechnische Qualität der von Tillmann/Vollmer 1984 plagiierten Fotoarbeiten lässt leicht übersehen, wer die Modelle auf den fotografischen Nach- und Neuschöpfungen sind: Es sind die beiden Autoren selbst, ergänzt um Protagonist*innen der Gallery without a Gallerist wie z. B. Bettina und L. Fritz Gruber; letzterer wurde in Anspielung an Irvin Penns berühmtes Picasso-Porträt als „Pablo Gruber“ selbst zu einer Ikone der zeitgenössischen Fotografie.

Publiziert wurde die Sammlung Tillmann und Vollmer im Kölner Wienand Verlag in kleiner Auflage als bibliophiles Büchlein, in rote Seide gebunden, im Titelblatt jeweils mit einem „Originalsplitter der Plattenkamera von Klaus Peter Schnütger-Webs, die er 1925 nach einer Auseinandersetzung mit Herbert Bayer am Bauhaus in Dessau aus dem Fenster warf“. Das FAZ-Magazin vom 15. Februar 1985, widmete den „Meisterwerken“ einen von L. Fritz Gruber verfassten Beitrag mit zahlreichen der Fotos. Klaus Honnef fand die Sammlung Tillmann und Vollmer für würdig, sie im Rahmen seiner Dokumentation „Inszenierte Fotografie II“ im „Kunstforum International“ 1986 neben die bedeutenden zeitgenössischen Fotokünstler zu stellen.

 

Externe Ausstellungsprojekte

Mehrfach initiierte die Gallery without a Gallerist auch ambitionierte Ausstellungsprojekte außerhalb der Hochstadenstraße. So eröffnete im September 1982 im Kölnischen Stadtmuseum als begleitende Ausstellung zur Photokina die Schau ...Mit Fotografie. Das Anliegen Tillmanns und seiner Mitarbeiter*innen war, die kunstferne Bilderflut der Photokina-Bilderschauen mit einer kritischen fotokünstlerischen Alternative zu konfrontieren und die Diskussion um Fotografie als Kunst wiederzubeleben. Die vom Kulturamt der Stadt Köln unterstützte Ausstellung war ein Gemeinschaftsprojekt mit dem Museum Ludwig unter der engagierten Federführung von Evelyn Weiss. Gezeigt wurden sieben Künstler*innen der Kölner Szene, die sich höchst unterschiedlich und frei mit dem Medium Fotografie/Video auseinandersetzten: Neben Tillmann, Bettina Gruber und Vedder nahmen Bernhard Johannes und Anna Blume, Rudolf Bonvie, Jürgen Klauke und Astrid Klein teil, deren unverwechselbare Positionen längst Kunstgeschichte sind. Als Katalog stellte der Journalist und Fotograf Dietmar Schneider die Nummer 3/1982 seiner die Kunstszene der Stadt beleuchtenden Reihe Kölner Skizzen zur Verfügung.

In der Artothek der Stadt Köln zeigte die Gallery without a Gallerist im Juni 1983 eine Ausstellung mit Fotografien von Ulrich Tillmann, mit dem ihm gemäßen mysteriösen Titel Die Chow Chows haben Recht. Ein Bilderzyklus aus kleinformatigen, gerahmten, oft kreuzförmig arrangierten Fotos, mit dem Selbstauslöser fotografiert, zeigte vieldeutige, mit Gold übermalte Motive mit akrobatisch schwebenden Paarungen im Wechsel mit biederen Alltagsmotiven. Es erschien ein kleiner, sehenswerter Katalog mit einem Vorwort von L. Fritz Gruber und einem Text von Evelyn Weiss.

Die Institution Gallery without a Gallerist war auch der Ursprung für das persönlichste und immerwährende Werk von Ulrich Tillmann: Das seinem Alter Ego und dessen universellem Schaffen gewidmete Klaus Peter Schnüttger-Webs Museum. Am 6. September 1986 eröffnete unter Tillmanns Direktorat, kollegial begleitet von Bettina Gruber als Fördervereinsvorsitzender und Maria Vedder als Hauptkustodin, das Klaus Peter Schnüttger-Webs Museum in Köln-Volkhoven (errichtet als Simultanhalle für den Museum Ludwig-Neubau) mit „Werken und Archivalien des Professors“. Zeitgleich fand die Eröffnungsfeier des neuen Museums Ludwig am Dom statt, mit einer (aufgezeichneten) Direktschaltung des Eröffnungsspektakels aus Volkhoven ins Foyer des Neubaus. Obwohl das Klaus Peter Schnüttger-Webs Museum anderntags wegen hoher Folgekosten wieder schließen musste, lebt es als Fiktion mitsamt seinem Direktorium weiter als Projektionsfläche für den künstlerischen Kosmos des Ulrich Tillmann. Eine wunderbar arrangierte, reichhaltige Sonder-Ausstellung im Kölner Museum Kolumba mit dem Archiv des Künstlerprofessors Klaus Peter Schnüttger-Webs, ehrt den Künstler Ulrich Tillmann und sein geniales Alter Ego, das, wie er oft betonte, seiner Zeit in allen künstlerischen Belangen stets voraus war (Das Klaus Peter Schnüttger-Webs Museum Ein Projekt von Ulrich Tillmann. 15.9.2019 bis zum 17. August 2020). Ein in Kürze erscheinender Katalog wird Ulrich Tillmanns Lebenswerk auch über das Datum hinaus lebendig halten.

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