zum Inhalt springen

Dass ein Archiv auch für künstlerische Produktion fruchtbar sein kann, hat 2022 die Zusammenarbeit mit dem Kollektiv ZOO gezeigt. Vor Ort recherchierte das Kollektiv zu der Frage wie ephemere Kunst wieder lebendig werden kann und so einen anderen Zugang zur Performance Geschichte ermöglicht. Im Rahmen ihres Artistic Research haben sich die drei Künstler:innen im Sommer 2022 drei Tage lang vor allem Scores zu Performances des Fluxus in den Archivbeständen unter anderem der Galerie art intermedia (Helmut Rywelski), Galerie Inge Baecker, Galerie Christel Schüppenhauer oder des Fotografen Henning Wolters befasst.

Ausgehend von diesen teilweise ikonischen Bildern, deskriptiven Zeitungsberichten, Korrespondenzen, Briefen und Telefonaten mit Zeitzeug:innen hat das Kollektiv ZOO nach einem persönlichen Verhältnis zu den Fluxus Aktionen und Performances gesucht. Entstanden sind die FREEENACTMENTs als eigenes Format der performativen Archäologie und Fortschreibung der Fluxus Geschichte in die Gegenwart.

Während der Festveranstaltung zum 30. Jubiläum des ZADIK am 30.09.2022 sowie der Preview auf der ART COLOGNE am 16.11.2022 wurden die Gäste Zeug:innen der performativen FREEENACTMENTs, die das Kollektiv bestehend aus Jens Eike Krüger, Constantin Leonhard und Anja Plonka in Auseinandersetzung mit den Archivbeständen des ZADIK entwickelt hatte.

Anhand der Fundstellen und der in diesem Zusammenhang ermittelten ‚Lücken‘ im Archivbestand setzte sich Leonhard mit der Performance von Charlotte Moorman von 1976 im Karl Ernst Osthaus-Museum Hagen auseinander, Wolf Vostells Aktion der Zertrümmerung von Kriegsspielzeug war der Ausgangspunkt für Krügers partizipative Performance und Felix Kemners Sauerstoffproduktionsanlage inspirierte Plonka zu ihrem Solo-FREEENACTMENT. Die gemeinsame Aktion in Anlehnung an Beuys unrealisiertes Projekt Hasen und Herzen bei Rywelski prägte den ganzen Abend – die Ballons wurden von den Gästen nach Signierung lebendig verteilt.

 

Anja Plonka: FREEENACTMENT zu Felix Kemners Sauerstoffproduktionsanlage im öffentlichen Raum Köln 1969

Bereits Ende der 1960er Jahre befasste sich Felix Kemner mit Umweltthemen und verwirklichte 1969 die Performance der ersten sogenannten Sauerstoffproduktionsanlage mit Moos in den Straßen von Köln, Aachen und München. Insbesondere in den 1970er Jahren arbeitete Kemner mit Moos als nachwachsendes und lebendiges Material unserer Umwelt und Produzent unserer Atemluft. Er thematisierte Moos und Sauerstoff bevor diese Themen gesellschaftlich und politisch wurden. Kemner ist ein Pionier der Umweltkunst und sein frühes Werk war zukunftsweisend.

1 / 4
Constantin Leonhard: FREEENACTMENT zu Charlotte Moormans Performance im Osthaus Museum in Hagen 1976

Das Archivgut zu dieser Performance ist lückenhaft. Aufschluss über den Ablauf der Aktion gibt nur ein Zeitungsartikel, dessen Beschreibung als Grundlage verwendet wurde. Leonhard versuchte die zentralen Materialien, die Charlotte Moorman verwendet hat, mit seiner eigenen Performancemethode zu untersuchen und so dem Gefühl näher zu kommen, was die Performance in der Performerin und im Publikum ausgelöst haben könnte. Zu dieser Lücke des Archivs - die Atmosphäre der Performance - sollen Einblicke gegeben werden. Dabei verlässt er sich nicht auf die Meinung des Journalisten oder den Blickwinkel von Fotograf:innen der Performance, sondern geht von dem aus, was wir sicher wissen: Ein Körper, ein BH aus Bildschirmen, ein Cello, ein Cello-Bogen, ein Schlafsack, Kleidungsstücke. "Welche Atmosphäre erzeugt dieses Setting in mir? Wie kann ich diese Emotion und Atmosphäre für das Publikum spürbar und sichtbar machen?" Diese Fragen standen im Fokus von Leonhard Beschäftigung mit der historischen Performance, zu denen Archivalien insbesondere im Archivbestand A4 der Galeristin Inge Baecker im ZADIK erhalten sind. 

1 / 4
  • © Nathan Dreesen
  • © Nathan Dreesen
  • © Nathan Dreesen
  • © Nathan Dreesen
Jens Eike Krüger: FREEENACTMENT zu Wolf Vostells "Ruhender Verkehr" sowie seiner Arbeit mit Beton, Spielzeug und Vehikeln

Als eine der berühmtesten Arbeiten von Wolf Vostell gilt das Werk "Ruhender Verkehr". Am 2. Oktober 1969 begann Wolf Vostells Aktion Ruhender Verkehr mit der Einschalung seines Opels Kapitän L auf einem öffentlichen Parkplatz vor der Galerie art intermedia in der Domstraße 81. Seit 1989 steht Vostells Betonskulptur auf dem Mittelstreifen am Hohenzollernring 25. Weniger dokumentiert und unscharf sind die Umschreibungen von Aktionen, in denen Vostell Kriegsspielzeug mit einem Hammer zerschlagen haben soll. Krüger versuchte sich für das Fest des ZADIK an einer kleinen kollagierten Zusammenführung von Vostells Aktionen im Miniatur-Format. Dafür wurde Kriegsspielzeug zum "Ruhen" gebracht, indem es in kleinen Holzboxen als Dioramen installiert und dann in Beton eingegossen wurde.

1 / 4
  • © Nathan Dreesen
  • © Nathan Dreesen
  • © Nathan Dreesen
  • © Nathan Dreesen
Anja Plonka, Constantin Leonhard und Jens Eike Krüger: FREEENACTMENT zu Joseph Beuys Hasen und Herzen (unrealisiert), Galerie art intermedia, Köln

Für eine gemeinsame Aktion von Joseph Beuys und (vermutlich) Jim Dine sollten in der Galerie art intermedia Anfang der 1970er Jahre Luftballons in Form von Hasen, Herzen und/oder Glühbirnen produziert werden. Hase und Glühbirne waren Identifikatoren für diese beiden Künstler. Das Kollektiv recherchierte hierzu im Archivbestand der Galerie art intermedia, der sich im ZADIK befindet und zudem 2020 eine Ausstellung konzipiert wurde. Sozial engagierte, kritische und politische Kunst – das war Thema bei art intermedia. Die Galerie existierte nur 5 Jahre, doch in dieser Zeit sorgten ihre Ausstellungen und Kunstaktionen für Furore. Obwohl Helmut Rywelski mit seiner Galerie selbst Teil des Kunstmarkts war, rebellierte er gegen die vorherrschenden Mechanismen. Mehr Informationen zur Galerie sowie zu den geplanten Aktionen sind in der Online-Publikation sediment 31 zu finden.

1 / 4
  • © Nathan Dreesen
  • © Nathan Dreesen
  • © Nathan Dreesen
  • © Nathan Dreesen
Anja Plonka und Constantin Leonhard: FREEENACTMENT zu Chris Reineckes Cooperative, Galerie art intermedia, Köln 1967

In der Ausstellung mit dem Titel Cooperative waren die Besucher:innen der Galerie art intermedia zwischen dem 5. Oktober und 1. November 1967 im Sinne eines Partizipationsprojektes dazu aufgefordert, ein Dombild mit zuvor von ihnen gekauten Kaugummis zu bekleben. Chris Reineckes gilt als eine der ersten deutschen Aktionskünstlerinnen. Das Kollektiv ZOO bezog sich in ihrer Performance auf dem Stand des ZADIK während der Preview der ART COLOGNE 2022 auf diese Aktion. Mehr Informationen zur Galerie art intermedia sowie zu den geplanten Aktionen sind in der Online-Publikation sediment 31 zu finden.

1 / 4
  • © Koelnmesse GmbH, Alita Holzhauer
  • © Koelnmesse GmbH, Alita Holzhauer
  • © Koelnmesse GmbH, Alita Holzhauer
  • © Koelnmesse GmbH, Alita Holzhauer