Allan Kaprow in Deutschland | Wärme- und Kälteeinheiten
Ausstellung | 12.04. – 17.04.2011 auf der ART COLOGNE, Halle 11.2, Stand D40 | 25.04. – 01.07.2011 im ZADIK, Im Mediapark 7, 50670 Köln
In den 1970er Jahren zersägte ein deutsches Kunstpublikum Kanthölzer und goss den Staub zu neuen Balken, baute Mauern aus Steinen und Marmeladenbroten, unternahm am Rheinufer eine Regenwanderung unter einer Plastikplane oder setzte den Körper heißen und kalten Temperaturen aus. Angeregt wurde es durch die Aktionen des amerikanischen Künstlers Allan Kaprow, der Kunst aus ihren traditionellen Grenzen in den Alltag hinausführte und die Zuschauenden zur Teilnahme aufforderte. Kaprow, der als 'Vater' des Happening in die Kunstgeschichte einging, realisierte während des nächsten Jahrzehnts weit mehr als zwanzig Projekte und Ausstellungen in Deutschland und fand vor allem in der lebendigen Kunstszene im Westen des Landes einen Ausgangspunkt zur Verbreitung seiner lebensnahen Kunstidee in Europa.
Trotz der Unterstützung durch die Galerien René Block und besonders Inge Baecker fand Kaprow in Deutschland doch andere Bedingungen vor, als in den Vereinigten Staaten. Während er dort weitgehend frei und unabhängig vom Kunstbetrieb an Universitäten und Akademien lehren und künstlerisch arbeiten konnte, war er in Deutschland an die Institutionen der Museen, Kunstvereine und Galerien gebunden, um ein größeres Publikum zu erreichen. Seine Form der transitorischen Kunst führte Kaprow aus den kunstspezifischen Zusammenhängen hinaus, in Deutschland musste er jedoch den traditionellen Strukturen Rechnung tragen. So waren es insbesondere die Galerien, die ihm hier seine notwendige Gestaltungsfreiheit ermöglichten.
Die große Happening & Fluxus Retrospektive 1970 von Harald Szeemann im Kölnischen Kunstverein hatte dazu beigetragen, dass sich zwischen internationalen Protagonisten der Aktionskunst und zeitgenössischen deutschen Galerien Verbindungen knüpften. Mit dem Galeristen René Block setzte Kaprow einen Monat nach seiner Teilnahme an der Ausstellung auf einem ausgebombten Platz mitten in West-Berlin die Aktion Sweet Wall um und im folgenden Jahr mit Inge Baecker in Bochum City Works. Daraus entwickelte sich eine konstante Zusammenarbeit mit der Bochumer Galeristin, die Kaprow im folgenden Jahrzehnt immer wieder nach Deutschland führte. Baecker übernahm mehr und mehr die Rolle seiner europäischen Agentin und organisierte über die Galerie Projekte mit Museen, Kunstvereinen und Sponsoren. Es entstanden u. a. die wichtigen Aktionen Meteorology, George Brecht Dedication Ceremony, Basic Thermal Units, 3rd Routine, Durations und Tire Tower.
Vor allem im Umgang mit den Institutionen mussten Kaprow und Baecker aber immer wieder auch Rückschläge einstecken: Aktionskunst besaß nur einen geringen Marktwert und musste das Honorar den zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln anpassen. Selbst die kleinen Budgets für Aktionen stießen zuweilen noch auf Akzeptanzschwierigkeiten gegenüber etablierter Kunst. So traf zum Beispiel die Annullierung der Einladung Kaprows zur documenta 5 den Künstler und seine Galeristin besonders hart. Obwohl ein Schwerpunkt der Großausstellung auf der Happening- und Fluxuskunst lag und ihr Leiter, Harald Szeemann, sich für Kaprow bei verschiedenen Aktionen in Deutschland eingesetzt hatte, wurde nicht nur er, sondern auch sein Künstlerkollege Wolf Vostell wieder ausgeladen.
Kaprows Anpassung an die traditionellen Strukturen des deutschen Kunstbetriebs waren Versuche, sein grenzüberschreitendes Kunstinteresse mit normierten Prozessen zu verbinden. Er beteiligte sich an verschiedenen Museumsausstellungen, gab mit der Edition Block ein Multiple heraus, fertigte Verkaufsobjekte für die Galerie Baecker und bestimmte in mehreren Jahren ihre Koje auf dem Kölner Kunstmarkt.
Zahlreiche, in dieser Ausstellung und der sie begleitenden Publikation des ZADIK erstmals öffentlich präsentierte Korrespondenzen, Projektplanungen und Fotografien dokumentieren die Höhen und Tiefen und die warmen und kalten Stimmungen in Kaprows Beziehung zum deutschen Kunstbetrieb der 1970er Jahre und erhellen damit eine wichtige Übergangsphase im Schaffen des Erfinders der Kunstform des Happening.
Zur Ausstellung erschien im Verlag für moderne Kunst Nürnberg die Publikation in der Reihe sedimentNr. 19/2011 „Allan Kaprow in Deutschland - Wärme- und Kälteeinheiten“.